Glücklich sein heißt, sich in seiner Haut wohlzufühlen. Es liegt in der eigenen Hand, man kann und muss etwas dafür tun, die Möglichkeiten dafür sind uns in die Wiege gelegt. Mit seinem Buch ermöglicht Manfred Stelzig dem Leser, sich selbst zu helfen.

Manfred Stelzig
©Manfred Stelzig

Der Psychiater Dr. Manfred Stelzig zeigt in seinem Buch „Warum wir vertrauen können“ auf verständliche Weise, dass wir alle Voraussetzungen für ein glückliches Leben bereits auf die Welt mitbringen und wir durch unser psychisches Urprogramm zu Empathie und Mitgefühl befähigt sind. Dieses Urprogramm bildet die Basis dafür, später Chef im eigenen Seelenhaus zu sein und selbst zu bestimmen, wie wir uns fühlen, wie wir die Welt wahrnehmen und mit ihr kommunizieren.

Bereits Zwillingsföten interagieren miteinander, suchen die Berührung, streicheln sich in der Fruchtblase und haben eine Ahnung bzw. Intuition vom Du. Säuglinge erblicken vertrauensvoll das Licht der Welt und liebevolle Zuwendung ist der Grundbaustein für eine gesunde psychische Entwicklung. Mit den Urbildern von der guten Mutter, dem guten Vater und dem guten Freund sind alle Menschen, egal aus welchem Kulturkreis sie kommen, ausgestattet. Durch dieses angeborene Wissen ist es uns möglich, schmerzliche Erfahrungen so zu verarbeiten, dass sie uns für ein glückliches Leben nicht im Wege stehen.
Nicht immer erhalten wir diese liebevolle Zuwendung von außen, doch wir sind durch das Urprogramm fähig, uns selbst mit Zuwendung zu versorgen und so unser verletztes Selbstvertrauen wieder aufzubauen, um psychisch nicht zu leiden. Stelzig schreibt: „Wenn wir doch all das Glückverheißende bereits in uns haben – die Orientierung, die fürsorglichen Eltern, den guten Freund, die gute Freundin, Szenen, die uns froh und zufrieden machen –, warum beschäftigen wir uns nicht viel intensiver mit diesen naturgegebenen Geschenken, statt uns an Kränkungen, Ungerechtigkeit und Unterdrückung festzubeißen? Warum orientieren wir uns eher an dem, was wir nicht haben, als an dem, was wir haben?“

Mit seinen fünf Wurzelübungen gibt der Autor dem Leser ein Werkzeug in die Hand, mit dem er sich selbst helfen kann, mit dessen Hilfe Schmerzliches und Kränkendes gelindert bzw. aufgelöst werden kann. Die Übungen sind einfach durchzuführen und werden ausführlich und verständlich erklärt.
Denn wir können selbst etwas dafür tun, dass wir glücklich sind.

VORAUSSICHT: Sicherheit setzt Vertrauen voraus. Wie wichtig ist Sicherheit für uns?

Dr. Manfred Stelzig: Sicherheit ist unerhört wichtig und ein wesentliches Ziel meines Buches. Man muss unterscheiden in die äußere und innere Bühne des Menschen. Innere Bühne heißt, wie kann ich zu Selbstvertrauen, zu Selbstsicherheit kommen. Da bieten sich vor allem die Wurzelübungen an, um sich nicht in der Angst zu verfangen, sondern in die Zuversicht zu kommen. Hier spielt auch die Stressfrage hinein, es geht auch um das Thema „Die Grundbedürfnisse des Menschen“. Das alles ist gestaltbar im Sinne des Kinderspruches „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Er bringt das Wesen der Sicherheit auf den Punkt, denn er besagt: Sei nicht grenzüberschreitend. Wahre die Grenzen, d.?h. respektiere andere Personen und deren Eigentum und wahre die Sicherheit. Die innere Haltung bestimmt, wie man auf der äußeren Bühne agiert.
Sicherheit ist ein großes Thema, weil wir über die Medien immer wieder von anderen Ländern hören, wo man sich gefährdet fühlt und dass man dort Zäune braucht, um sicher zu sein usw. Das haben viele Menschen im Kopf und daher gibt es auch Angst und Vorsicht vor Fremden und davor, dass sich die globale Sicherheit, um die wir uns bemühen, verändern könnte.

Wir haben vor dem, was wir nicht kennen, Angst und lassen Vorsicht walten, warum?

Ja, das habe ich auch in meinem Buch beschrieben mit dem Satz „Ein Wolf ist der Mensch dem Menschen, kein Mensch, wenn man sich nicht kennt“. Ursache für Feindseligkeit und Aggressivität ist das Unbekannte und Unvertraute. Ich habe immer wieder Folgendes erlebt: Wenn man Menschen, vor denen man Angst hat, näher kennenlernt, stellt sich heraus, dass das ganz nette Menschen sind und dass sich die Ängste rasch relativieren und in Sympathie, oftmals auch in Verbundenheit und Hilfsbereitschaft umschlagen.

foto:shutterstock.com ; Yuganov Konstantin
© Yuganov Konstantin / shutterstock.com

Vertrauen lernen, aber auch das rechte Maß an Vorsicht lernen – wie bringt man das einem Kind richtig näher?

Im Urprogramm ist durchaus auch eine Alarmreaktion enthalten. Bei Gefahr reagieren wir, und zwar reagiert schon der Fötus; er macht bei der Fruchtwasseruntersuchung, wenn die Nadel in die Fruchtblase eindringt, eine Ausweichbewegung. Das ist ein ganz früher Mechanismus des Gefahrenerkennens und Sich-selbst-Schützens.
Vertrauen entsteht zu Menschen, die einem vertraut sind oder bei denen die Resonanz passt. Die Vorsicht anderen Menschen gegenüber ist sowohl angeboren als auch erlernt.

Warum sind wir in Österreich überhaupt so angstbesetzt?
Worin sehen Sie den Hauptgrund für die oft irrationalen Ängste, die wir aufgrund unserer sozialen Absicherungen überhaupt nicht haben müssten?

Dagegen will ich anschreiben – gegen emotionale Obdachlosigkeit. Wir bekommen tagtäglich Schreckensmeldungen geliefert, wir schlagen die Zeitung auf und lesen über Katastrophen. Ich finde, dass wir im alltäglichen Leben viel zu wenig Möglichkeiten haben, um das abzupuffern. Wir nehmen solche Negativmeldungen als unmittelbare Bedrohung wahr. Ein Beispiel: Rein statistisch gesehen, ist im Vergleich die Gefahr, bei einem Terroranschlag ums Leben zu kommen, weit geringer als von einem Blitz erschlagen zu werden und trotzdem fühlen sich viele Menschen beunruhigt, denn wir nehmen diese Dinge subjektiv wahr.
Schreckensmeldungen sind wiederum durch das angeborene Alarmsystem – das reagiert sehr rasch mit Adrenalin, Cortisol und Stresshormonausschüttung – für uns sehr interessant. Schöne Storys sind nicht aufregend genug, nicht spannend. Damit wir diese Reaktion wieder ausbalancieren können, ist es so wichtig, ein Handwerkszeug zu bekommen. Wir müssen etwas für die positive Seite machen, die Dinge, die uns freuen, die das Leben lebenswert erscheinen lassen, in den Vordergrund rücken. Das heißt, wir persönlich müssen uns diese positiven Dinge ständig bewusst machen, wer anders tut es nicht für uns. Das Schlimme ist, dass man nicht das Positive sieht, sondern eher grantig, unzufrieden oder mieselsüchtig wird und das dann an seine Partnerin, seinen Partner heranträgt. Diese/r denkt sich daraufhin: „Ist sie/er heute wieder grantig!“, und reagiert entsprechend – ein Teufelskreis entsteht.
Dieses Selbst-positiv-Bilanzieren ist ein ganz wichtiger, aufwendiger und bewusster Prozess und funktioniert nicht von selbst. Im Schlaf, wenn wir träumen, gibt es zwar Mechanismen, die uns wieder runterregulieren und beruhigen können, aber leider funktioniert das auch bei vielen Menschen nicht mehr richtig, weil Schlafstörungen weit verbreitet sind und die Beunruhigungen zu groß sind.
Darum finde ich das Buch so entscheidend, dass jeder sagen kann: Okay, das stimmt, wenn ich die Übungen mache, dann gehts mir besser.

Selbstreflexion ist ganz wichtig, aber es ist auch sehr schwierig, wirklich ehrlich zu sich selbst zu sein und nichts unter den Teppich zu kehren. Können die Wurzelübungen helfen, diese Mechanismen des Nicht-ganz-ehrlich-zu-sich-selbst-Seins zu erkennen und dagegenzuwirken?

Natürlich kann man sagen, da wird der Mensch völlig selbstzufrieden, doch das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist, Selbstsicherheit zu bekommen und dass man begegnungsfähig ist, dass man positiv bilanziert, freundlich, fröhlich, aufgeschlossen dem anderen gegenübertritt. Ich glaube schon, wenn man sich mit so einem Thema beschäftigt und das Buch liest, dass man dann so weit ist, sich selbst reflektieren zu können, dass man sich fragt: Wo stehe ich eigentlich? Auf der anderen Seite bedeutet sich selbst zu reflektieren ja auch, sich zu spüren und Zustände zu erkennen wie: wie: Habe ich Angst? Bin ich traurig? Bin ich grantig? Gehts mir nicht gut?

Die Alltagsroutine unterbrechen ist ein lohnenswertes Ziel. Kommt man mit den Wurzelübungen aus dieser Routine heraus?

Ich denke, im Hintergrund läuft ein Ist- und Sollzustand ab. Dieses Sehnsuchtsprogramm haben wir immer laufen, mit der Frage: Kann ich mir mein Leben so gestalten, wie ich mir das vorstelle, oder soll es ganz anders sein? Oder: Ich habe nur mehr so und so lange zu leben, was müsste ich an meinem Leben noch unbedingt verändern?
Wenn sich ein Mensch mit dem Buch auseinandersetzt, so denke ich bzw. so hoffe ich, kommt irgendetwas ins Schwingen – „aha, so ist der Mensch gebaut“. Es spricht etwas in mir an und ich lasse mich auf einen Prozess ein. Weil es ja ein Prozess der Lebendigkeit, der Kreativität, der Liebe, der Zusammengehörigkeit usw. ist. Das wollen alle und die Frage ist: Ist unser Leben so bunt oder ist es ein monotoner Trott? Und wenn es Letzteres ist, bemerkt der Mensch: Aha, da gibt es noch etwas anderes und vielleicht kann mir das helfen, aus meinem Trott herauszukommen.

Sie schreiben in Ihrem Buch auch über die Initiative „Vertrauensnachbar“. Würden Sie kurz erklären, worum es dabei geht?

Das Miteinander ist etwas gaanz Wichtiges für uns alle. „Vertrauensnachbar“ ist ein Kursprogramm, bei dem ich mitwirke und bei dem im Vordergrund steht: Wie stelle ich Begegnung her, wie kommuniziere ich richtig? Miteinander heißt, sich für andere zu interessieren. Es wird beispielsweise miteinander gekocht, und das verbindet ungemein.
Auch Eventmanagement und transkulturelle Kompetenz werden gelehrt oder der Umgang mit Nachbarn mit psychischer Beeinträchtigung. Es ist ganz wichtig, auf diese Personen aktiv zuzugehen und Hürden abzubauen.

Zum Abschluss noch ein kurzer Hinweis zum Glücklichsein.

Glücklichsein muss man wollen. Man muss sich um das Glück bemühen und viel tun, wie täglich positiv Formulieren. Die Selbstfürsorge ist ganz wichtig, um Belastungen des Lebens wieder auszubalancieren. Läuft das Urprogramm rund, wirken und interagieren wir selbstsicher.

Tipp:

Aus dem Buch: Die vier wichtigsten Regieanweisungen für die innere und äußere Bühne

Jeder Mensch sehnt sich nach Geborgenheit und Fürsorge.

Jeder Mensch möchte mitentscheiden, die Abläufe verstehen und seinen Beitrag zur Gestaltung der Szene leisten.

Jeder Mensch hat den tiefen Wunsch nach Fairness und einen Widerwillen gegen Ungerechtigkeit.

Jeder Mensch braucht es, wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden.

Buch von Manfred Stelzig - Ecowin
© Ecowin

 Buch von Manfred Stelzig – Ecowin

Buch:

Warum wir vertrauen können

Das psychische Urprogramm des Menschen

20 Euro

192 Seiten 

Hardcover mit Schutzumschlag

ISBN: 9783711001436

Verlag: ECOWIN

Über den Autor:

Dr. med. Manfred Stelzig, MSc., geboren 1952 in Wien, leitete seit 1991 den Sonderauftrag für Psychosomatische Medizin der Universitätsklinik  für Psychiatrie und Psychotherapie in Salzburg. Er ist Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutischer Medizin und Psychotherapeut für Psychodrama und Psychoanalyse. Seit seiner Pensionierung ist er weiterhin Lehrtherapeut für Psychodrama – Psychotherapie mit Schwerpunkt Psychosomatik im ÖAGG, Lehrtherapeut der österreichischen Ärztekammer und an der Donau Universität Krems.

Buchautor: „Was die Seele glücklich macht“(2004), „Keine Angst vor dem Glück“ (2008),  Krank ohne Befund (2013) und Mitherausgeber des Buches: „Die Folgen der Nichtdiagnose psychischer Erkrankungen“. 

Header Bild © Jacob-Lund / shutterstock.com

Autor: Arianne Hoffmann